ICH GEHE - ALSO BIN ICH - ein multimedialer Gedankengang
Diplomausstellung, Garten/Gang/Aula, Universität der Künste, Berlin, 1990
Beobachtungen über die Bedeutungen des Gehens in einer linearen „Strangzivilisation“, entlang von Bahnen, Schienen, Straßen. Gehen jenseits jeglicher Zeitökonomie. Gehen in einer Gesellschaft, in der die radikale Veränderung der Mobilität ein Netz neuer Raum- und Zeitdimensionen über eine Landschaft verlegt hat, die einmal der Erfahrungswelt des Menschen entsprochen hat. Gehen als die dem Menschen einzig "angemessene" Geschwindigkeit, sinnlich erfahrbar, "synchron" zu Wahrnehmung und Denken, im Widerspruch zu einer auf Ziele fixierten und auf Ankunft bedachten „Temporausch-Gesellschaft“, der jegliches Wissen um Geschwindigkeit, Zeit und Entfernung verloren gegangen ist. Längst geht es nicht mehr darum, unterwegs zu sein, sondern Ziele schnellstmöglich und effizient zu erreichen. Da - und kurz darauf dort zu sein. Es zählen allein berechenbare Stand- und Zeitpunkte. Der Weg dazwischen wird zum lästigen Muss.

ICH GEHE ALSO BIN ICH will sich Raum und Zeit mit Hilfe einer menschlichen (im Gegensatz zur technischen) Mobilität zurückerobern und vergegenwärtigen. Eine Mobilität, die sich wieder sinnlich erfußen, erfassen und begreifen lässt und die im "Gehen" mehr sieht, als den Transport des Kopfes von Punkt A nach B.

Es geht darum, Langsamkeit und zögernden Schritten wieder etwas abzugewinnen und Gehen wertzuschätzen als Medium peripathetischer Wahrnehmung (=Herumgehen in unterschiedlichen Wirklichkeitsabschnitten des eigenen Sehens, Wahrnehmens, Denkens) in Konkurrenz zu einer optisch-statischen Wahrnehmung. Dies ermöglicht immer neue Konstellationen, in denen sich Ebenen überlagern und sich ständig wechselnde Standpunkte ergeben können. Gehen als sechster Sinn (kinästhetische Sinn). Gehen als vermittelndes Prinzip zwischen Körper und Geist, zwischen Wahrnehmen und Denken. Gehen als aktives, bewusst eingreifendes Prinzip, als Kraftaufwendung gegenüber dem Prinzip der Schwerkraft. Gehen im Hinblick auf Einschränkungen der  Bewegungsfreiheit.

Gehen, sich gehenlassen, gegängelt werden.
Und immer: Gehen als Metapher für immaterielles, geistiges Gehen - Denken - GEDANKENGÄNGE.

Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist nur selten eine Gerade.

Der Schritt von der "Unbeweglichkeit" zur "Beweglichkeit",
der Schritt von der "Wahrnehmungsunfähigkeit" zur "Wahrnehmung"
und das Heraufdämmern des „Selbstbewusstseins“.

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